„Der Liebesbrief II“
Der Liebesbrief hat sehr viel in Hildes Mann ausgelöst. Er beobachtet seine Frau und er beobachtet sich selbst. Er grübelt und verbringt schlaflose Nächte. Ihr erzählt er nichts davon, allerdings wundert sie sich schon. Plötzlich hat er die Idee! Er wird sich auch einen Liebesbrief schreiben. Im Liebesbriefe schreiben hatte er zwar keine Übung, aber das konnte doch nicht so schwer sein? Die Wandlung seiner Frau bewegte ihn sehr. Wann hatte sie den Brief geschrieben? Und wie oft hatte sie ihn wohl schon gelesen? Er wusste es nicht, aber er dachte sich, vielleicht ist es sogar besser, wenn ich es nicht weiß. Er wollte nämlich bis Weihnachten genauso ausgeglichen sein, um sie am Heiligen Abend zu überraschen. In seinen Gedanken sah er sich mit ihr am Weihnachtsbaum sitzen. Sie werden sich gegenseitig ihre Geschichten erzählen, die Liebesbriefe vorlesen, lachen und wieder Pläne schmieden.
Auf dem Kalender stand der 6. Dezember. Prima, das sind 18 Tage Zeit. Er empfindet Sicherheit. Nun startet er seinen ersten Versuch. Dabei merkt er schnell, so einfach ist das gar nicht: Du bist erfolgreich im Beruf – ja, aber … – Du bist ehrgeizig – ja, aber … – Du hast handwerkliches Geschick – ja, aber … !!!
Was sollte er bloß tun? Zu jedem Lob brauste in seinem Kopf sofort ein „Ja, aber“ auf. Das machte das Lob wieder klein und er fühlte sich nicht gut dabei. Er raufte sich die Haare, gab es denn tatsächlich gar nichts, für das er sich uneingeschränkt lieben und loben konnte? So schwer hatte er sich das nicht vorgestellt. Er legte den Kugelschreiber aus der Hand, zog sich seinen warmen Mantel an und machte einen Waldspaziergang im Schnee. Er musste einfach ein bisschen Ruhe finden um nachdenken zu können. Die frische, kalte Luft tat ihm gut und er fühlte, wie er langsam ruhiger wurde. Die Natur zeigte ihm die Vollkommenheit in der Einzigartigkeit. Als er an seinen Schreibtisch zurückgekehrt war, floss es ihm aus seiner Feder:
Liebster Peter!
Ehrgeiz, Konzentration und Zuverlässigkeit haben Dich sehr erfolgreich gemacht. Deine schnelle Auffassungsgabe bringt in viele Situationen des Alltags Leichtigkeit. Du bist gesellig und bei allen beliebt. Dein handwerkliches Geschick ist einzigartig. Ich freue mich jeden Morgen darauf Dich wieder zu sehen.
Ich liebe Dich von ganzem Herzen,
Dein Peter
Puh! Fertig! Stolz liest er sein Werk noch einige Male.
Wow! Das tut gut! Das fühlt sich richtig gut an! Er hat nicht übertrieben, sondern wirklich nur die Wahrheit aufgeschrieben.
Seine Gesichtszüge sind nun entspannt und voller Zuversicht, denn er fühlt, dass er es schaffen wird.
Alles Liebe,
Deine Nicole
(P.S. Es gibt ein sehr schönes Buch, das sich unseren „Ja, aber`s“ widmet. Titel „Die Macht der Dankbarkeit“ von A.S. Pallas)